Exkurs: Das “Hühnerhofmodell” (aus dem Anhang von GuM 2.Auflage)
Empirisch lässt sich beobachten: Einige Menschen verhalten sich, bildlich gesprochen, wie Hühner auf einem
Hühnerhof - ohne Hahn: Ein innerer Impuls setzt eine Dynamik in Gang, während der weder nach rechts noch nach links geschaut wird. Wissen wird im Augenblick verdrängt, stattdessen orientieren sie sich nur an der
Impulsierung von Dynamik und der Abarbeitung derselben (Erotismus, ein Machen um des Machens willen, das auch Spaß machen kann, ohne Unterscheidung von Sinn und Unsinn). An welcher Stelle besteht die Möglichkeit,
aus dieser Hühnerhoftaktik auszusteigen?
Die Chance auszusteigen besteht, sobald der innere Druck (in Richtung Bewegung) gespürt wird. Hier besteht
die Möglichkeit, innezuhalten und zu sagen: “Moment mal” und sich die Situation anzuschauen. Mit Hilfe des “Moment mal” wird Einsicht aktiviert und darüber kann der Raum für die Lernfähigkeit
animiert werden. Der Effekt ist, dass man/frau sich nicht übersieht.
Nun machen wir die Erfahrung, dass sich bei diesem Lösungsangebot Schwere in uns breit macht, deshalb stellen
wir uns natürlich sofort die Frage: Was ist daran schwierig, eine Lösung zu haben, um aus der Hühnerhoftaktik auszusteigen? Die unterbewusste Selbstvorstellung überflutet sozusagen die Wahrnehmung: das unbestimmte
Empfinden der Furcht tritt auf: Wir verweigern die Wahrheit, und der Inhalt der Wahrheit wäre: “Ich kann allein auch denken”. Unsere Bereitschaft, wirklich zur Einsicht zu kommen und nicht auf einer
Ansicht zu verharren, scheitert: Wir halten fest an der normativen Kraft des Bisjetzigen und möchten nichts verändern. Mit diesem Verhalten verbauen wir uns die Lücken, die frühkindliche Wunden gelassen haben, und
verweigern das Erleben der Würde. Dieses Verhalten bedeutet das Festhalten der Entfremdung. Wir sind uns in der Entfremdung wegen der frühkindlichen Verwundungs-Erfahrungen bekannt, bei dem Erleben von Neuem
verbindet sich die Selbstvorstellung mit Furcht - und schon befinden wir uns in Sicherheit.
Der Lust/Unlust-Schalter wirkt gerne dort, wo Lust an der Wahrheit entstehen könnte. Dabei handelt es sich um
eine geistige Entscheidung, dieser Frontalhirninformation Raum zu geben. Das Neue ist zu unbequem und gefährdet die Familie, Beziehungen, den Beruf... Da gefährden wir lieber uns selbst und unsere Gesundheit. Dafür
haben wir auch die Krankenkasse, die Versicherten-gemeinschaft. Und da alle das so machen, können wir von einer konventiven Umgangsform sprechen (und “feiern” krank?).
Regeneration wirkt die Fähigkeit zur Teilgabe und öffnet gleichzeitig die Teilnahme. Die Erscheinungen des
jetzigen Augenblicks und die Abbildung ihrer Konkretionen durch die Einsicht ermöglichen die notwendigen Unterscheidungen, um uns so in die Gemeinschaft einzufügen, dass das Recht auf sich selbst für alle gewahrt
bleibt. Diese Unterscheidungsmöglichkeit hindert die fatalistische Betrachtung des Fügens und die mythologische Betrachtung der Fügung. Sätze wie: “Das musste wohl so geschehen” oder: “das ist eben
Schicksal” oder ähnliche möchten die Schuldfrage mit Hilfe des Mystizismus klären und relativieren eine Erfahrung, deren Inhalt zur bloßen Ansicht verkommt.
Das Recht auf die Widerfahrnisse von “leben” und die Teilgabe an der eigenen Situation lassen
das Recht auf sich selbst als Existential des Individuums offenbar werden. Das Gefühl, als Mensch richtig und gemeint zu sein, und das Gefühl der Geborgenheit sensibilisieren die Wahrnehmung auch der eigenen
Möglichkeiten. Die inhaltvolle Gefügtheit des Miteinanders, ohne Vorausurteil gegenüber Beteiligten an der Gemeinschaft, weist in ihrer Tragfähigkeit auf die Möglichkeit, sich selbst Frucht zu sein, d.h. für sich
selbst einzustehen.
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