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Individuum und Gemeinschaft

Thesen zum Artikel:

1. Jede Handlung als Konkretion einer Absicht ist geistig als Sache ergreifbar und kann ge-nannt werden.

    Wer diese Sache mit der eigenen Person identifiziert, so dass die eigene Handlung für die Repräsentanz der eigenen individuellen Einzigartigkeit und Einheit genommen wird, trägt in die Beschreibung des eigenen Tuns immer unterbewusste Vorstellungen hinein, die dadurch nicht selbst bewusst identifiziert, also nicht benannt und nicht geistig verarbeitet werden können.

2. Bei der Beschreibung einer Handlung, sei sie tätiger oder geistiger Art, will die Selbstvorstellung mit in den Blick und damit ins Verstehen kommen, da diese die Abbildung des Geschehens außerhalb des Menschen im Innern mediiert.

    Wird die Selbstvorstellung nicht zusammen mit der Beschreibung einer Handlung erfaßt, kann diese nur über die Form begriffen werden. Dadurch geraten die so agierenden in Sorge, da die Begrenzung von Wahrnehmung auf die bloße Form vom eigenen Körper als Notstand erfahren wird. Dieses Verrätseln begrenzt nicht nur die Wahrnehmung der Gefügtheit des Umgangs, die Menschen erleben dabei mehr oder weniger offenkundig eine Begrenztheit ihrer Person, die sie belastet; sie erleben ein Nicht- oder Noch-Nicht-Richtigsein.

3. Diese Idee des Nichtrichtigseins fordert Entlastung gegenüber der Selbstwertvorstellung: Menschen erliegen dann der Fiktion, als wäre ihnen das ohnehin bekannt.

    Auf diese Weise werden Verwundungs-(=VA-)Erfahrungen, die von außen in den Menschen gelangt sind, als eigene Schuld gedeutet, VA-Folgen dann als Folgen persönlichen Versagens. Bei entsprechend frühzeitiger Vater-VA wird die eigene VA sogar als persönlicher,

    unwiderruflicher Makel gedeutet. Diese Deutungen werden dann die Triebfeder für die Verrätselungen.

4. Eine Mutter kanalisiert und reglementiert die Lebensäußerungen ihres Kindes. Dieser vom Kind zwar als VA erfahrene Umgang begrenzt die unendlichen und vielfältigen Möglichkeiten eines Kindes und hat hier seinen Sinn.

    Der Sinn besteht also auch gerade darin, eine biologische Symbiose und damit eine Fixierung auf Abhängigkeit zu verhindern. Übersteigt jedoch eine Mutter-VA die Grenze dieses Sinns dadurch, dass die Mutter im aversiven Sinne "Lebensspenderin" des Kindes "seinen" will (die biologische Mutterphase also noologisch über die Perinatalzeit hinaus verlängern will), deutet sie die Angewiesenheit des Kindes auf Außenimpulse als willkommenes Gegenüber für ihre eigene Vor-stellung, die den Blick auf die Wirklichkeit des Kindes verstellt.

5. Wird die menschliche Fähigkeit der Angewiesenheit auf Außenimpulse durch die Mutter-VA in Abhängigkeit verwandelt, erlebt das Kind seine Fähigkeit als Defizit.

    Eine Mutter kann die Quelle der natürlichen Versorgung quantifizieren und deshalb mit Versorgungsentzug drohen. Beim Kind wird nun die natürliche VA und die mit ihr sinnvollerweise erlebte Grenze mit der Todesidee angefärbt. Es wird sich den engführenden Reglements und Zwängen der Mutter einpassen. Das weibliche Prinzip einer Mutter macht den Umgang mit dem weiblichen Prinzip bis zur Sorge möglich. Nur eine Vater-VA ist wegen des in ihr wirkenden männlichen Prinzips in der Lage, die von der Mutter begrenzten Bewegungsmöglichkeiten sogar ganz zu bremsen, zu statifizieren.

6. Das Wesen einer Vater-VA besteht darin, dass er seine eigene Angewiesenheit auf Außenimpulse (männliches Prinzip!) vom Kind als Abhängigkeit missversteht und deshalb die Annahme der kindlichen Impulse verweigern kann (mit der Folge der statifizierenden Blockade beim Kind und/oder der Umwandlung genuiner Gefühlsimpulse in Unruhe, Aggression, Grübeln u.ä.).

    Ein so verwundender Vater übersieht die kindlichen Lebensäußerungen und fixiert das Kind auf Verhaltensformen, die ihm genehm sind (wobei die Genehmlichkeit variieren kann, was das Kind noch zusätzlich irritiert). Das hat zur Folge, dass das Kind sich in gleichem Maße übersieht und sich nur an den erlangten Vorstellungen des Vaters und den Normen der Mutter orientiert. Die Familiengemeinschaft ist ein Effekt der gegenseitigen Orientierung an der Not.

7. Gemeinschaft ist Effekt der Orientierung und des Engagements von Individuen an gemeinsam erfühl- und erfüllbaren Inhalten im gegenseitigen Respekt vor der Andersartigkeit und der Öffnung gegenüber Möglichkeiten außerhalb des Bisjetzigen.

    Eine durch VA erfahrene Reduzierung der Lebensäußerungen eines Kindes auf (erwünschte) Formen, lehrt das heranwachsende Kind, die Weisungen und Mimiken der Eltern als Konkretionen des Unsagbaren zu akzeptieren. Sein Selbst-Verständnis wird reduziert auf das Familien-Verständnis, auf das, was in der Familie verstehbar und gültig ist. Diese Reduzierung (vom Kind als Konkretion gedacht) bedeutet jedoch die Negierung des Selbst des Kindes. Es erlangt eine Vor-stellung, die es als das ganze, nämlich als Selbst-Vorstellung, selbst-verständlich übernimmt. Gleichzeitig lernt das Kind, sich nur dann auf eine Sache einzulassen, wenn diese von den Eltern nicht negiert und/oder ausdrücklich bejaht wird. Als Erwachsene(r) wird sich also dann nur noch auf eine Sache der Sache nach eingelassen (Engagement), wenn die Sache hinter der Sache überschaubar ("vorhersehbar"!) ist: Gemeinschaft wird als Effekt unterbunden.

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